Gepiden

Die Wanderung der Gepiden

Zeit der Hunnen

Phase 2: Vor und während der Hunnenzeit

Mehrere Schatzfunde mit römischem Silbergeld zur Zeit des Markomannenkriegs deuten daraufhin, dass politische Unruhen vorherrschten und es zu einer Erweiterung des Gepidenlandes nach Süden kam.22
In den Blickpunkt der römischen Welt gelangten die Gepiden erst durch ihre Wanderungen in der Mitte des 3. Jahrhundert. Die Gründe für die Wanderungen können im Falle dieses Volksstammes ganz vielschichtig sein.
Diculescu beschreibt ein Zusammenwirken folgender Gründe, die dazu führten, dass gewandert wurde:
Einerseits könnte die wachsende Bevölkerung und die sich daran anschließenden Probleme der Versorgung und des Lebensraumes einen Teil des gepidischen Volkes geradezu gezwungen haben, ihr Land zu verlassen. Andererseits das Begehren nach römischem Kulturland sowie der von Süden sich über die Gepiden-Auen ziehende gotische Kulturstrom und „der Ehrgeiz und die Kriegslust des Gepidenkönigs Fastida, mit dessen Herrschaft der damalige Waffenruhm des Volkes verknüpft war,…“23
König Fastida war in der Mitte des 3. nachchristlichen Jahrhunderts eine Schlüssel-
figur der Gepiden. Nicht nur sein Name kennzeichnete ihn als gefestigte Persönlichkeit; auch sein Wille, für sein Volk "bessere Länder" zu erkämpfen, zeugt von Entschlossenheit.24 Unter seiner Herrschaft sollen etwa ein Drittel der Gepiden ihr Land im Jahr 248 verlassen haben.25
Der Auszug soll geordnet, „mit Weib und Kind, mit Knechten und Mägden, mit Wagen, Roß und Rindern [vollzogen worden sein]; auch Zelte, Hausgeräte und Heiligtümer führten sie in Karren und Wagen mit sich. Ein Teil der kampffähigen Mannschaft marschierte an der Spitze des Zuges, während andere Abteilungen die Seitenhut versahen und den Nachtrab bildeten“.26
Fastida besiegte die Burgunder und laut Jordanes noch andere Völker, die allerdings nicht genannt wurden. Weiterhin kann man der Quelle des Geschichtsschreibers entnehmen, dass die eigentliche Heimat sukzessive an Bevölkerungsdichte abnimmt.
Es scheint wohl so gewesen zu sein, dass sich die Wanderung Richtung Karpaten über Jahre hinzog.27
Die Erfolge Fastidas über die Burgunder und die anderen nicht genannten Völker riefen bei dem König den Wunsch hervor, weiter in andere Gebiete vorzustoßen und den Gepiden neues Land zukommen zu lassen. Das gepidische Volk, dessen Charakter Jordanes als quieta gens beschreibt, musste erst durch die Zustimmung einer unbestimmbaren Schar im Volk zu neuen Taten motiviert werden.28
In der Mitte des 3. Jahrhunderts tauchten dann die Gepiden in den Nordostkarpaten an der römischen Grenze auf (Abbildung 3).29
In Abbildung 3 erkennt man, dass der Karpatenraum in der zweiten Hälfte des 3. Jahr- hunderts von mehreren Völkern bewohnt war.30
Den Gepiden boten sich überwiegend eine Gebirgslandschaft und Wälder. Dass eine Besiedlung in einem solchen Gebiet nicht optimal war, ist anzunehmen. Wahrscheinlich
aus diesem Grunde und auch als bloßen Vorwand schickte Fastida Gesandte an König Ostrogota, der um das Jahr 260 beide Gotenstämme befehligte.31
Dem Wunsch des Gepidenkönigs, die Provinz Dakien bzw. überhaupt Land freizugeben, wurde nicht gefolgt, und so kam es zwischen Wisigoten und Gepiden zum Kampf.
Das Jahr, in dem die Schlacht ausgetragen wurde, lässt sich nicht erschließen. Irgendwann im Zeitraum zwischen 260 und 290 „wurde mit großer Tapferkeit auf beiden Seiten gestritten, weil beide gleiche Bewaffnung und gleiche Kampfesart hatten“.32
Als Sieger der Schlacht auf dem sogenannten Niemandslande gingen die Wisigoten hervor. Über Fastida findet sich seit dieser kriegerischen Handlung keine Kunde mehr.
Was das 3. Jahrhundert angeht, so findet sich bezüglich der Gepiden nur noch die Nachricht, sie seien gemeinsam mit den Goten im Jahre 268 gegen das Römische Reich gezogen und hätten im Frühjahr des darauf folgenden Jahres eine schwere Niederlage erlitten.33
Im Jahre 336 traten die Gepiden dann wieder in Erscheinung, als sie den Auszug der Wandalen aus West-Dakien für ihre Zwecke nutzten und ihr eigenes Gebiet nach Südwesten erweiterten.34
Über die zweite Hälfte des 4. Jahrhunderts geben die Quellen ansonsten keine Auskunft. Ein archäologischer Fundplatz im Zentrum des Karpatenbeckens, in Szilàgy-Somlyó (Abbildung 4) deutet allerdings zumindest daraufhin, dass Goten - Sevin vermutet die Gepiden - in diesem Zeitraum im Theißland angesiedelt sein mussten.

Ägypten

22Ebd., S.18. Aufgrund der unterschiedlichen Bestattungsformen von Gepiden (Körperbestattung) und Burgunder (Brandgrubengräber) lassen sich Siedlungen der Gepiden „zu Beginn des 3. Jahrhunderts südlich bis zur Linie Neutomischel - Posen - Wreschen verfolgen“(Diculescu, S.18).
23Ebd., S.20 f. S.R.: Hier lassen sich sowohl Push- als auch Pullfaktoren finden. Als Pushfaktor ist hier die Über- bevölkerung zu nennen (s.a. Fußnote 8). Pull-Faktor ist die Sehnsucht nach römischem Kulturland und die Bereicherung der südwärts angesiedelten Goten; mindestens Letzteres könnte auf Neid hin- deuten. König Fastida ist in diesem Schema, wie mir scheint, schwer zuzuordnen. So denn eine all- gemeine Müdigkeit innerhalb des Volkes vorgelegen haben sollte, wie die Sage und gotische Namens- prägung ausgeführt, könnte man den Antrieb Fastidas symbolisch als Weckruf auffassen, der das Volk aus ihrer Lethargie in neue Gefilde führt. Eine solche Deutung erscheint jedoch zu gewagt, als dass sie wissenschaftlich für das Wanderungsverhalten verwertbar sein könnte.
24Sevin, S.25.
25Diculescu S.21 ff.
Diculescu bezieht die Zahl ein Drittel auf Vergleiche mit anderen Stämmen und deren Aufgebot an wandernder Bevölkerung. Da allerdings über den gepidischen Auszug eine Quelle fehlt, verweist er auf die Bodenforschung. Insgesamt wird argumentativ nicht deutlich warum es sich um ein Drittel gehandelt haben soll. Auch Erklärungen auf den folgenden Seiten scheinen nicht stichhaltig. Eine Mutmaßung wäre an dieser Stelle wohl angebrachter. Vgl. S.21 f..
26Ebd., S.22.
Bei dieser Schilderung bezieht sich Diculescu auf Erwähnungen anderer Wanderzüge von teilweise nichtgepidischer Volksstämmen. Es liegt also eine Mutmaßung vor; in diesem Fall ein gefertigtes Schema einer Wanderung.
27Sevin, S.26. Aufgrund von Bodenfunden in Schlesien vermutet Sevin, dass die Gepiden ebenfalls in die dortige Region gelangten.
28Sevin, S.26.
29Über die eingeschlagene Richtung der Wanderung liegen zumindest bis zum Jahr 1955 keine Informationen vor. Auch Pohl geht in seinem Aufsatz nicht auf diesen Aspekt ein.
30Hinsichtlich der unterschiedlichen Völker gibt Sevin einen Einblick auf den Seiten 28 ff.
31Fastida beklagte sich mit den Worten, er sei „von schroffen Gebirgen eingeschlossen…, er verlan- ge also von zweien eines: Ostrogota solle entweder Krieg oder Land für ihn bereit halten“ (Sevin, S.31).
32Sevin, S. 32.
33Ebd., S.33. Ansonsten treten einige Gepiden noch als Kolonisten in Erscheinung und ziehen zur Zeit Kaiser Probus in das Römische Reich.
34Diculescu, S.43 und Sevin, S.34. An dieser Stelle nutzen die Gepiden die Situation aus und stoßen vor. Es ist zu beobachten, dass dieser Vorstoß wohl auch eine Verschiebung der Volksmassen innerhalb der Gepiden bewirkt haben muss. Die schon erwähnten Gepiden-Auen verödeten und gepidische Gräber an der Weichsel wurden immer seltener. Der Großteil hat sich in dieser Zeit wohl ins Zentrum des Karpatenbeckens verlagert; zurückgebliebene Grüppchen sind, wie Sevin, annimmt in anderen Stämmen aufgegangen.
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